Wo landeten im Mittelalter die Abfälle?

Blick in einen engen Gang. Unten, oben, links und rechts befinden sich Mauern.

Es gibt in der Stadt Zürich einige Orte, die nur mit dem magischen Schlüssel zugänglich sind. So auch der Ehgraben! Was das ist? 

 

Als Ehgräben werden die schmalen, nicht bebauten Durchgänge zwischen zwei Häuserzeilen der mittelalterlichen Städte genannt. Diese offenen Gräben markierten die Grundstückgrenze, die von Gesetzes wegen seit «eh und je» galt. Und in ihnen landete der Küchenabfall wie auch die menschliche Notdurft. Es waren also die Kloaken der Stadt. Im Volksmund die «Schissigässli»!

 

Die Zürcher Ehgräben mussten so breit sein, dass sich ein einjähriges Schwein mühelos drin drehen konnte. Denn zuerst liess man die Schweine durch, die noch frassen, was sie konnten und wollten.   

Die Wartung dieser Ehgräben war eine gemeinschaftliche Pflicht der Anwohner. Meist wurde die Reinigung ausgelagert. An sogenannte «Ehgraben-Räumer». Das Toilettenpapier des Mittelalters waren Stroh oder Heu, was die festen Abfallstoffe in den Gräben und auch die Gerüche weitestgehend zu binden vermochte. Der Mistteppich wurde an einer nahen Stelle zum Trocknen ausgebreitet. Später fand er als Dünger auf Feldern, in Gärten und Weinbergen weitere Verwendung. Der Urin war bei den Gerbern ein begehrter Rohstoff. 

 

Während Jahrhunderten waren die Zusammenhänge zwischen den hygienischen Zuständen in den Städten und den verheerenden, Tod und Elend bringenden Seuchen nicht bekannt. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, mit der Entdeckung des Bakteriums brach sich die Erkenntnis Bahn. Mit der sogenannten Kloakenreform wurde ein modernes Entsorgungssystem mit geschlossener Kanalisation nach Pariser Vorbild eingeführt. Die Kloaken wurden gedeckt und Fallrohre in jedes Gebäude eingebaut. Die festen Stoffe wurden fortan in Kübeln aufgefangen, das Flüssige konnte in die Kanalisation entweichen. 

 

Bald überwogen allerdings die Nachteile des Kübelsystems und der flächendeckende Ausbau eines städtischen Kanalnetzes wurde vorangetrieben. Die erste Kläranlage in Zürich nahm 1926 im Werdhölzli ihren Betrieb auf. 

 

Heute lässt sich ein solcher Ehgraben auf unserer Tour "versteckt hinter verschlossenen Türen" hautnah besichtigen. Dafür heisst es: Bauch einziehen! 

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